Wie muss Deutschland auf das Vorgehen der USA reagieren?

Vor gut einem Jahr haben die Enthüllungen zu den Überwachungsaktivitäten der NSA weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Vorwürfe wiegen schwer und es spricht Vieles dafür, dass auch die Kommunikation deutscher Bürgerinnen und Bürger von den Nachrichtendiensten der Staaten der sogenannten „Five Eyes“ (Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigtes Königreich, Kanada, Australien und Neuseeland) massenhaft überwacht wurde.

Zu Recht haben wir daher bereits im Oktober letzten Jahres die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert und unser Aufklärungsinteresse aktiv in den gemeinsamen Untersuchungsauftrag aller Fraktionen eingebracht. Neben der Frage, ob, wie und in welchem Umfang Nachrichtendienste verbündeter Staaten massenhaft die digitale Kommunikation in Deutschland überwacht haben, müssen wir insbesondere klären, was unsere Nachrichtendienste hiervon wussten, ob sie davon rechtswidrig profitiert oder gar daran mitgewirkt haben.

Ich bin der Auffassung, dass wir – bei aller berechtigten Kritik in Einzelfällen – auf Nachrichtendienste zur Gewährleistung unserer inneren und äußeren Sicherheit nicht verzichten können. Die Dienste haben jedoch rechtsstaatliche Grenzen und die Freiheitsgarantien unseres Grundgesetzes strikt zu wahren. Freiheitsrechte dürfen nicht auf dem Altar pauschaler Sicherheitsinteressen geopfert werden. Und nicht alles, was in Zeiten weltweiter digitaler Kommunikation technisch möglich ist, darf auch tatsächlich zur Erfüllung von Sicherheitsaufgaben ein- und umgesetzt werden.

Im Untersuchungsausschuss wurden bereits über 90 Beweisbeschlüsse gefasst, vor allem im Hinblick auf umfangreiche Aktenbeiziehungen. Zur Vorbereitung der weiteren Zeugenvernehmungen drängten die Mitglieder des Untersuchungsausschusses auf eine lückenlose Vorlage der beigezogenen Akten durch die Bundesregierung. Bislang wurden bereits nahezu 500 Aktenordner geliefert. Ein geringer Teil davon ist als „VS-Vertraulich“ und „VS-Geheim“ besonders geschützt. Schwärzungen oder die Verweigerung der Herausgabe von Beweismitteln werden von den Mitgliedern aber nur dort akzeptiert, wo die Bundesregierung im Einzelfall schlüssige und verfassungsrechtlich zulässige Begründungen liefert.

So wurden bereits über 90 Beweisbeschlüsse gefasst und rund 40 Personen sind als Zeugen beschlossen worden, darunter auch die Führungsebene der großen amerikanischen IT- und Internetkonzerne (u.a. Apple, Facebook, Microsoft und Google).

Edward Snowden ist für uns nach wie vor eine Schlüsselfigur. Allerdings können wir uns auch nicht den Realitäten entziehen: Die Bundesregierung hat sich ausdrücklich gegen eine Vernehmung in Deutschland ausgesprochen. Sie fürchtet eine schwere Belastung der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Ich teile diese Einschätzung nicht uneingeschränkt. Insbesondere im Hinblick auf die aktuell bekannt gewordenen möglichen Spionagefälle müssen auch die massenhaften Grundrechtsverletzungen durch das Ausspähen deutscher Staatsbürger im Rahmen des „Staatswohls“ berücksichtigt werden. Gleichwohl gilt: Die Bundesregierung nimmt die Verantwortung für die politischen Außenbeziehungen wahr und sie hat hier einen weiten Beurteilungsspielraum.

Ich denke, ein wichtiger Anfang ist gemacht, auch wenn noch ein langer Weg vor uns liegt. Was wir am dringendsten brauchen sind Ausdauer und Geduld. Das sage ich vor allem denjenigen, die sich schnellere Ergebnisse wünschen oder eine aggressivere Haltung der SPD verlangen. Denn in wenigen Wochen lassen sich weder die USA vom Irrweg einer scheinbar totalen Überwachung weltweiter Kommunikation abbringen noch diejenigen gesicherten Erkenntnisse gewinnen, die für eine vernünftige Regulierung der Arbeit unserer eigenen Nachrichtendienste notwendig sind.

Wir werden die zwingend notwendige Aufklärung weiter akribisch, kritisch und verantwortungsbewusst vorantreiben. Die Verteidigung der Bürgerrechte in der digitalen Gesellschaft bleibt für uns alle ein Schlüsselthema.