
Können Sie sich ein Leben ohne Facebook vorstellen? Die Meinungen gehen auseinander, jedoch wollen immer weniger Menschen auf ihr digitales Ich verzichten. Knapp 28 Millionen Facebook-Nutzer gibt es alleine in Deutschland. Falls Sie bislang erfolgreich Facebook gemieden haben, würden Sie denn auf Ihr E-Mail-Konto verzichten? Oder auf Ihr Navigationsgerät? Was ich damit sagen will, es stellt sich schon längst nicht mehr die Frage, ob wir eine Digitalisierung unserer Gesellschaft wollen. Sie ist längst da und geht auch nicht mehr weg. Es geht vielmehr darum, ob wir nur unbeteiligt am Rand stehen oder ob wir diesen Fortschritt mitgestalten wollen.
Grundvoraussetzung ist schnelles Internet für alle – gerade im ländlichen Raum. Hier sind wir im Main-Kinzig-Kreis in der glücklichen Lage, bis 2015 flächendeckend versorgt zu sein. Das verdanken wir dem Engagement des Kreises und werden dafür von vielen Regionen Deutschlands beneidet. Auch die Bundesregierung hat schnelles Internet auf die Digitale Agenda gesetzt. Ebenso die digitale Verwaltung der Bürgerinnen und Bürger und dem Ziel, Deutschland zum IT-Vorreiter machen zu wollen.
In der Diskussion stehen wir allenfalls am Anfang. Die digitale Entwicklung kann man mit der industriellen Entwicklung vergleichen. Zuschauen oder gestalten hieß es auch hier. Die Arbeiterbewegung hat damals nicht zugeschaut und heraus kamen Arbeitszeiten unter 40 Stunden, Mitbestimmung, Arbeitsschutz und mehr Arbeitnehmerrechte. Sie sehen, stellt man zeitig die richtigen Weichen, sorgt man auch für gesellschaftlichen Fortschritt und Wohlstand. Auch beim digitalen Wandel gibt es unzählige Chancen und Möglichkeiten. Selbstverständlich gibt es aber auch Risiken, die wir möglichst klein halten müssen.
Denken wir an das Internet-Lexikon Wikipedia. Auf unseren Smartphones haben wir die Möglichkeit immer und überall Wissen abzurufen. Was für die Nutzer gut ist, stellt Verlage vor ein Problem, denn warum sollte Konsumenten für einen Dienst bezahlen, wenn es ihn auch kostenlos gibt? Das Gleiche gilt übrigens auch für die gute alte Tageszeitung: Wir sind durch Blogs oder Onlinezeitungen gut informiert, der klassische Journalismus wird jedoch dadurch schnell zu einer unbezahlten Arbeit degradiert. Auf der einen Seite steht ein globaler Zugang zu Wissen und Informationen, auf der anderen Seite gefährden wir gute Arbeitsplätze. Umgekehrt entstehen durch den digitalen Wandel auch neue Arbeitsplätze. Bis 2020 werden sogar knapp 1 Million Fachkräfte der digitalen Arbeit fehlen.
Chancen ergreifen, Risiken begrenzen: Das geht bei der Bildung direkt weiter. Uns steht mit dem Internet nahezu grenzenloses Wissen zur Verfügung. Das stellt unsere Schulen vor völlig neue Herausforderungen. Faktenwissen steht nicht mehr im Vordergrund, denn viel wichtiger wird es werden, Informationen richtig und kritisch zu bewerten. Ein gutes Beispiel spielte sich während der Fußball-WM ab. Ein russischer Fernsehsender erklärte in seinen Nachrichten, ein deutscher Kneipenwirt stehe vor der Insolvenz. Der Grund sei sein Versprechen vor dem 7:1 Sieg der deutschen Mannschaft gegen Brasilien gewesen, für jedes Deutschland-Tor einen Gratis-Schnaps an alle auszuschenken. Die angeblich seriöse Information hatte der Sender vom Online-Satiremagazin Postillon. Diese Ente zeigt, dass es mindestens genauso wichtig ist zu wissen, wie ein Gerät bedient wird, wie die Befähigung zum verantwortungsvollen, selbstbestimmten, kreativen und kritischen Umgang mit digitalen Medien und Gesellschaften.
Natürlich ist beim Digitalen Wandel die Politik gefragt und wir müssen tatsächlich mehr Tempo machen. Aber die wichtigen Fragen des digitalen Zusammenlebens werden nicht alleine in den Parlamenten geklärt. Es ist auch kein exklusives Thema für eine kleine Elite aus Programmierern, Bloggern oder anderen Netzarbeitern. Wir stehen vor einer Diskussion, die unsere gesamte Gesellschaft führen muss und auch führen wird.