Öffentliches WLAN: Fährt Deutschland beim Aufbau von Hotspots mit der digitalen Handbremse?

„Die digitale Revolution trifft auf den demografischen Wandel“, sagte Malu Dreyer vor kurzem in einem Beitrag und traf damit mein landliebendes Herz. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin erklärte zu Recht, dass wir uns mitten in einer digitalen Revolution befinden, die für die Dörfer die Rettung bedeuten könnte. Genau das hat Landrat Erich Pipa frühzeitig erkannt und immer wieder den flächendeckenden Breitbandausbau vorangetrieben. Wenn nun im Bundestag über den bundesweiten Breitbandausbau gesprochen wird, kann ich mich größtenteils entspannt zurücklehnen, denn der Main-Kinzig-Kreis hat sein Feld längst bestellt!

Malu Dreyer schrieb einen weiteren wichtigen Satz: „Wir mögen global wirtschaften, manchmal auch global handeln und denken – aber wir leben zu Hause in unserer Stadt oder unserem Dorf.“ Von dem Jahrhundert der digitalen Revolution sprach sie sogar. Vor meiner Zeit als Bundestagsabgeordnete hatte ich weit weniger Schnittpunkte mit dem Internet oder dem digitalen Leben. Heute habe ich die Möglichkeit, im Flörsbachtal Entwürfe für Gesetzestexte auf meinem Tablet zu lesen, ohne dafür in die Hauptstadt fahren zu müssen. Auch andere Menschen haben ähnliche Vorteile: Architekten, Medienschaffende, Schreiner die mit ihren Kunden letzte Entwürfe besprechen oder heimische Frisöre, die über ihre Homepage Termine vergeben. Auch wenn wir nicht immer darauf achten, schreitet die Digitalisierung aller Lebensbereiche voran. Voraussetzung für die komplette Teilhabe am digitalen Leben ist jedoch ein ortsunabhängiger und kostengünstiger Internetzugang. Beispielsweise über öffentliches WLAN. Wenn jetzt nun – rein theoretisch – immer mehr Menschen im Main-Kinzig-Kreis ihr WLAN-Netz als Hotspot anderen zur Verfügung stellen würden, dann könnte eine freie Infrastruktur entstehen.  

Eine Eco-Studie besagt, dass in Südkorea fast 40 Hotspots auf 10.000 Bürger kommen und in Großbritannien knapp 30. In Deutschland teilen sich hingegen 10.000 Menschen nicht einmal zwei Hotspots. „Deutschland fährt bei der Verbreitung von WLAN-Hotspots im internationalen Vergleich derzeit noch mit angezogener Handbremse“, sagt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Weshalb wir bei der WLAN-Versorgung so hinterher hinken kann man nur verstehen, wenn man sich die deutsche Abmahnindustrie anschaut. Auf diese Branche – die es übrigens nur in Deutschland gibt – können wir international nicht stolz sein. Sie hat sich darauf spezialisiert, denjenigen abzumahnen, der ein urheberrechtlich geschütztes Werk, z.B. ein Musikstück oder ein Foto, aus dem Internet kopiert. So hagelte es in den vergangenen Jahren Millionen von teuren Abmahnungen, die jedoch mehr die mahnenden Anwälte als die Künstler finanzierten. Da diejenigen zahlen müssen, die den Internetzugang besitzen, bietet man lieber sein WLAN nicht öffentlich an – es könnte ja jemand illegal ein Film herunterladen, ohne dass man es bemerkt. 

Selbstverständlich muss das geistige Eigentum geschützt werden. Aber verfolgt die Abmahnindustrie dieses hohe Ziel? Das Wirtschaftsministerium hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt. Öffentliche Orte wie Flughäfen, Cafés oder Rathäuser sollen nicht länger Gefahr laufen, für die Nutzer zu haften. Kritik am Entwurf gibt es für die sogenannte Störerhaftung, eine nahezu unüberwindbare Hürde für private Betreiber, die ihr WLAN gerne frei zugänglich machen wollen. Es muss aber bei allem Tadel klar sein, dass – auch wenn ich mir eine weiter gehende Regelung für offene WLANs hätte vorstellen können – dieser Kompromiss zu deutlich mehr öffentliche WLAN-Angebote führen wird. Das ist ein guter erster Schritt. Was ich aber auch klar erkenne ist, dass die Forderung einiger SPD-Netzpolitiker, die Störerhaftung abzuschaffen und private Anbieter mit öffentlichen oder gewerblichen Anbietern gleichzustellen noch lange nicht vom Tisch ist. Die digitale Revolution trifft also nicht nur auf den demografischen Wandel. Auch andere Hürden gilt es noch zu überwinden.