Angebote und Sanktionen: Ist das geplante Integrationsgesetz die richtige Reaktion auf die Massenzuwanderung?

Flüchtlinge sind real. Es sind keine Figuren aus Romanen oder Fantasiegeschichten. Sie existieren tatsächlich. Da können wir lange darüber sprechen, warum jemand flüchtet. Wir können darüber diskutieren, ob uns muslimische oder christliche Flüchtlinge lieber sind. Wir können uns den Kopf zerbrechen, ob wir flüchtende Menschen ins Land lassen oder an der Grenze beschießen. Es spielt keine Rolle und ändert nichts, denn diese Menschen sind da. Wir haben eine Aufgabe zu bewältigen. Es ist in unserem Interesse, dass wir es gut machen. Dass wir die Flüchtlinge anständig integrieren.

In den vergangenen Wochen ist oftmals der Eindruck entstanden, Integration sei ein Schimpfwort. Ich sage ihnen, was Integration ist: Reiner Selbstzweck. Es bedeutet, dass sich Flüchtlinge und wir uns annähern. Dass wir uns miteinander auseinandersetzen. Freundschaften beginnen dort, wo man Gemeinsamkeiten findet und Unterschiede herausstellt, denn unterschiedlich sind wir alle. Das macht unsere Gesellschaft aus. Integration heißt, dass Verantwortung übernommen wird. Gegenseitige Verantwortung zwischen den Zugewanderten und uns. Alles andere wäre unvernünftig.

Integration heißt zudem nicht Assimilation – also die völlige Anpassung der Flüchtlinge an unsere Gesellschaft, inklusive der Aufgabe der eigenen kulturellen Identität. Das würde auch nicht funktionieren. Schließlich entwickelt sich die kulturelle Identität ständig. Spätestens bei jeder neuen Generation. Dennoch haben wir abseits der kulturellen Identität eine demokratisch erarbeitete Rechtsordnung. Diese Werte sind für ein friedliches Zusammenleben notwendig. In unseren Werten kommt ziemlich oft das Wörtchen Freiheit vor: Gewaltfreiheit, die Freiheit in der Wahl eines Partners, Meinungsfreiheit, Gewissensfreiheit, Pressefreiheit oder aber auch Religionsfreiheit. In einer demokratischen Gesellschaft ist Freiheit jedoch nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Wenn wir von Flüchtlingen die Religionsfreiheit einfordern, müssen wir sie dann auch von uns selbst einfordern? Können wir dann noch sagen, der Islam (oder jede andere Religionsgemeinschaft) gehöre nicht zu Deutschland?

Ohne die Nazi-Keule auspacken zu wollen, kann ich den Vorstoß einiger ranghoher AfD-Vertreterinnen nicht nachvollziehen. Das Zitat „Der Islam ist eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist“, ist noch eines der harmloseren Sätze. Die größte Schwierigkeit in solchen Aussagen sehe ich darin, dass hier eine gesamte Religion über einen Kamm geschoren wird. Ob das trotz Religionsfreiheit so gewollt ist, soll mal dahin gestellt bleiben. Das sind Beispiele, an denen wir merken, dass Integration immer mehrere Beteiligte beinhaltet.

Ende Mai wird das Bundeskabinett einen Entwurf für ein Integrationsgesetz beschließen. Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht, denn ein solches Gesetz ist längst überfällig. Über die Details können wir gerne streiten. Die Eckpunkte folgen dem von Bundesministerin Andrea Nahles benannten Grundsatz des Fördern und Forderns. So sollen die Regeln für die Ausbildungsförderung, die Rechtssicherheit beim Aufenthaltsstatus während der Ausbildung oder niedrigschwellige Angebote an den Arbeitsmarkt verbessert werden. Aber auch eine Wohnsitzauflage oder die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Integration sieht der Entwurf vor. Mir persönlich ist es wichtig, den Zugezogenen möglichst schnell wieder auf die eigenen Beine zu helfen. Neben dem Erwerb der Sprache ist das der Schlüssel für eine gelungene Integration.

Das von den Kinzigtal-Nachrichten vorgeschlagene Thema dieser Kolumne lautet: „Ist das geplante Integrationsgesetz die richtige Reaktion auf die Massenzuwanderung?“ Meine Antwort: Nein! Die richtige Reaktion wäre ein Einwanderungsgesetz. Ein Integrationsgesetz ist deshalb aber nicht unwichtiger. Es schafft Regeln für unser Zusammenleben mit den Zugewanderten. Denn diese Menschen sind jetzt da. Sie zu integrieren ist auch Selbstzweck.