Minderheitsregierung keine Notlösung, sondern Chance

Die Tinte des Koalitionsvertrags war noch nicht getrocknet, da hatte sich die Sache auch schon wieder erledigt. Es gibt also keine große Koalition im Main-Kinzig-Kreis. Und da alle – damit meine ich wirklich alle – sich zu den Gründen des Scheiterns geäußert haben, will ich das nicht wiederholen.

Jeder durfte sich mal aufregen, jetzt kann es ja weitergehen. Und es geht weiter – mit einer Minderheitsregierung. Dem Parlament des Main-Kinzig- Kreises stehen spannende Jahre bevor und ganz ehrlich: Ich bin froh, dabei sein zu dürfen. Wenn man von einer Minderheitsregierung spricht, fällt häufig das Wort „Notlösung“. Auf Bundesebene hört man das übrigens auch im Zusammenhang mit großen Koalitionen. Ich sehe es nicht als Notlösung, sondern als Chance. Jeder einzelne Abgeordnete des Kreistages hat nun die Möglichkeit zu beweisen, ob sie oder er es ernst meint. Ob sie wirklich zum Wohle des Kreises agieren oder nur Propaganda betreiben. Für den Landrat eine gigantische Herausforderung, denn für alle anstehenden Abstimmungen muss er sich zukünftig jedes Mal im Kreistag die Stimmen zusammen suchen, ohne sich dabei auf eine sichere Mehrheit, eine Koalition stützen zu können. Auf der anderen Seite ändert sich auch die Rolle der Opposition. Sie regiert plötzlich mit. Das bedeutet für die oder den einzelnen Abgeordneten, dass sie sich nicht mehr einfach so den Vorschlägen des Landrats verweigern können. Auch können sie nicht mehr ohne weiteres strategisch-motivierte „Wolkenkuckucksheim“-Anträge stellen. Schließlich müssen auch sie verstärkt das Gespräch mit dem politischen Mitbewerber suchen. Anträge die wirklich gut sind, haben nun die Chance, Wirklichkeit zu werden. Unrealistische Propaganda-Anträge werden als solche entlarvt. Alle Vorgänge, von Regierung und Opposition, werden wesentlich stärker unter öffentlicher Beobachtung stehen. Hören wir auf, über das Scheitern von Koalitionen zu streiten. Lasst uns frohen Mutes die Chancen einer Minderheitsregierung nutzen.