Debatte um SuedLink: Ostvariante über dünner besiedelte Regionen Thüringens wahrscheinlichste Lösung?

Die Diskussion um die geplante Stromtrasse „SuedLink“ ist ein typischer Fall von „Geht nicht – gibt es nicht“: Als die ersten Pläne für die Starkstromleitung das Tageslicht erblickten, forderten wir eine Erdverkabelung anstatt der Freileitungen. Der Stromnetzbetreiber „TenneT“ sagte „Erdverkabelung? Geht nicht“. Jetzt bekommen wir die Erdverkabelung. Geht doch! Meine Gratulation geht an diejenigen, die sich energisch, aber sachlich für die Erdverkabelung eingesetzt haben. Hier brauchte man nämlich jede Menge Fingerspitzengefühl. Zum einen, weil der Strom, der atomfrei an der Nordseeküste produziert wird, irgendwie in den energiehungrigen Süden Deutschlands transportiert werden muss. Böse Zungen mögen sagen, wir brauchen die Trasse nicht, soll der bayrische Ministerpräsident Seehofer doch selbst zusehen, wie er an seinen Strom kommt. Auch wenn diese Argumentation durchaus einen gewissen Charme hat, greift der Vorschlag selbstverständlich zu kurz und tut den Menschen in Bayern zudem Unrecht. Auch wenn es manch einer in den vergangenen Monaten gerne mal offensichtlich vergisst, aber wir befinden uns immer noch in einem vereinten Land und da kann ruhig ein bisschen zusammenhalten.

Über die Parteigrenzen hinweg haben sich die betroffenen Bundestagsabgeordnete zusammengetan, um einen Weg für die Erdverkabelung zu finden. Und wir haben die Möglichkeit der Erdverkabelung schließlich im Bundestag beschlossen. Das zeigt, dass aus einem kleinen Protest, ein geändertes Gesetz werden kann.

Der Strom soll also unter der Erde von Norden nach Süden transportiert werden. Aber wo lang genau? Zwei grobe Trassenvarianten wurden in der vergangenen Woche bekannt gemacht: Die eine Möglichkeit führt durch Thüringen, die andere an Fulda vorbei, durch das Sinntal. Über Ziegelhütte, Oberzell und östlich vorbei an Schwarzenfels in Richtung Zeitlofs. Nun gilt es abzuwägen, welche der beiden Trasse die geringsten Raumwiderstände aufweist. Ein Raumwiderstand ist ein Indikator dafür, wie schwierig eine Maßnahme – wie eine Starkstromtrasse – zu realisieren ist. Stehen etwa Siedlungen, Militärgelände, Wasserschutz- oder Naturschutzgebiete im Weg, ist der Raumwiderstand höher und je höher er ist, desto schwieriger ist die Realisierung eines Projektes. Aus gutem Grund. Schließlich soll es fair zugehen. Nun stellt sich bei der Ermittlung des Raumwiderstands immer wieder die Frage, welche Indikatoren wichtiger sind? Welches Naturschutzgebiet ist schützenswerter? Welche Siedlungen genießen einen größeren Schutz? Und hier ist die Antwort auf den ersten Blick ganz einfach: Natürlich ist meine Siedlung, mein Naturschutzgebiet, mein Militärgelände das wichtigere und verdient mehr Schutz. Das ist dann auf den zweiten Blick schon gar nicht mehr so einfach, denn es hat nicht automatisch der Recht, der am lautesten seine Argumente vorbringt. Das gilt übrigens auch beim Thema Windkraft und bei der geplanten ICE-Strecke Hanau-Würzburg/Fulda.

Das Maß der Dinge sollte also die Fairness sein. Deshalb mag ich auch die Art und Weise, wie Sinntals Bürgermeister Carsten Ullrich die Sache anpackt. Er poltert nicht drauf los und will unbedingt die Trasse durch Thüringen durchboxen. Nein, er sucht den Dialog, wirbt dabei mit Sach-Argumenten für sein Sinntal und bleibt dabei energisch genug, um Gehör zu finden. So soll es sein. Wir haben viele Argumente auf unserer Seite, ohne mit dem ausgestreckten Finger frei nach dem St.-Florians- Prinzip nach Thüringen zu zeigen. Ich möchte ausdrücklich dafür werben, es Bürgermeister Ullrich gleich zu tun. Die erste Möglichkeit wird der 12. Oktober sein. Ab 16.30 Uhr präsentiert der Stromnetzbetreiber „TenneT“ in der Mehrzweckhalle Sinntal-Sterbfritz seine Pläne. Noch bis ins Frühjahr 2017 werden die Pläne öffentlich vorgestellt und diskutiert. Erst dann beginnt die offizielle Genehmigungsphase, die im sogenannten Planfeststellungsverfahren mündet. Der endgültige Trassenverlauf steht dann frühestens 2020 fest.